PSA-Test: ja oder nein? (2024)

16. Februar 2022 | von Martina Häring

Aktualisiert und medizinisch geprüft am 16.2.2022
Ingrid Müller, Chefredakteurin und Medizinjournalistin

Ist der PSA-Test für Männer sinnvoll oder nicht? Ein flächendeckendes PSA-Screening an gesunden Männern gibt es in Deutschland nach wie vor nicht. Männer müssen den PSA-Test weiterhin selbst bezahlen. Alle Vor- und Nachteile des PSA-Tests im Überblick.

Ist die Bestimmung desPSA-WerteszurFrüherkennung von Prostatakrebsbei gesunden Männern ohne Krebsverdacht sinnvoll oder nicht? An dieser Frage scheiden sich seit vielen Jahren die Geister. Die einen argumentieren, dass der Nutzen des PSA-Tests überwiege, weil Ärzte und Ärztinnen gefährliche Tumoren früher diagnostizieren und behandeln können. Die anderen finden dagegen, der Preis sei für die Männer zu hoch. Denn durch den PSA-Test erhielten auch Männer eine Krebsdiagnose und ‑behandlung, die diese Therapien vielleicht gar nicht gebraucht hätten. Zu dieser Einschätzung kam kürzlich auch ein neues Gutachten des IQWIG. Das PSA-Screening richte mehr Schaden an als es nutze. Der PSA-Test bleibt eine persönliche Entscheidung der Männer und sie müssen ihn weiterhin selbst bezahlen.

PSA-Screening

Der PSA-Test nutzt nur wenigen Männern und richtet mehr Schaden an als er nutzt. Lesen Sie auch, warum die Krankenkassen den PSA-Test nicht bezahlen.

PSA-Test: ja oder nein? (1)

Zukunft “risikoadaptierter” PSA-Test?

Der Würzburger Urologe und Prostatakrebs-Experte, Dr. Frank Schiefelbein, empfiehlt, den PSA-Test nicht grunsätzlich zu verteufeln. Er spricht sich - wie viele Experten und Expertinnen - für den Einsatz eines risikoadaptieren PSA-Test aus. Dabei berücksichtigen sie das individuelle Risikoprofil eines Mannes und gewichten die Risikofaktoren, die er für Prostatakrebs mitbringt. Dazu gehört zum Beispiel, ob der Prostatakrebs schon in der Familie vorkommt.

Schiefelbein betont: "Das alleinigeAbtasten der Prostatareicht nicht aus, um Prostatakrebs auszuschließen. Eine deutlich verbesserte Aussagekraft lässt sich durch die Kombination mit der PSA-Bestimmung erreichen.“ Allerdings müssten Männer gut über die Vor- und Nachteile des PSA-Screenings aufgeklärt werden. „Die Diagnose Prostatakrebs darf niemals in einen Automatismus münden, den Patienten sofort operieren oder bestrahlen zu müssen“, betont Schiefelbein.

Früherkennung – das sind die Empfehlungen

Die Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) gibt in ihren Leitlinien folgende Empfehlungen zur Früherkennung von Prostatakrebs:

  • Wenn ein Anlass zur Information über die Früherkennung von Prostatakrebs besteht, sollten Ärztinnen und Ärzte Sie ergebnisoffen über sämtliche Vor-und Nachteile beraten. Solche Anlässe können vielfältig sein, etwa eine Beratung im Rahmen einer anderen Erkrankung oder der Wunsch nach allgemeinen Gesundheitsinformationen. Aufklärungsarbeit leisten sollen Ärzte besonders hinsichtlich der Aussagekraft von positiven und negativen Testergebnissen, Überdiagnosen sowie weiteren Maßnahmen, die vielleicht nötig sein könnten. Sie sollten in der Lage sein, eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen, ob Sie das Angebot der Früherkennung wahrnehmen möchten - oder nicht.
  • Wenn Sie sich nach dieser Aufklärung für eine Früherkennungsuntersuchung entschieden haben, sollten Ärzte Ihnen die Bestimmung des PSA-Wertes als Untersuchungsmethode anbieten. Einen erhöhten PSA-Wert sollten Ärzte in bestimmten Zeitabständen kontrollieren, dabei aber die möglichen Einflussfaktoren berücksichtigen.
  • Eine Tastuntersuchung (digital-rektale Untersuchung) ist eine zusätzliche Möglichkeit zur Früherkennung von Prostatakrebs.
  • Bildgebende Verfahren, etwa der transrektale Ultraschall, sind nicht die Methoden der ersten Wahl bei der Früherkennung eines Prostatakarzinoms. Sie kommen erst zum Einsatz, wenn der Arzt tatsächliche Anhaltspunkte für einen Prostatakrebs hat. Auch wenn die Diagnose Prostatakarzinom schon steht und Ärztinnen die Ausbreitung des Tumors bestimmen möchten, sind bildgebende Verfahren ein Muss.

Die Früherkennung auf Prostatakrebs ist für Männer ab dem 45. Lebensjahr empfohlen, bei Prostatakrebs in der Familie auch schon früher.

PSA-Test: Nachteile des Screenings

Um zu verstehen, wie der PSA-Test überhaupt in die Kritik geraten konnte, hilft ein kurzer Blick in den Vergangenheit. Ursprünglich wurde der PSA-Test entwickelt, um den Krankheitsverlauf bei Prostatakrebs zu überwachen. Hier spielt er auch heute eine wichtige Rolle, um den Behandlungserfolg zu überprüfen und einen Krebsrückfall zu erkennen.

Erst später kamen Mediziner auf die Idee, den PSA-Wert auch zur Früherkennung bei gesunden Männern ohne Beschwerden – also zum Screening – heranzuziehen. Bei solchen Reihenuntersuchungen besteht grundsätzlich die Gefahr von sogenannten „falsch-positiven“ Testergebnissen. Das heißt: Auch bei Männern, die eigentlich gesund sind, kann der PSA-Wert erhöht sein.

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PSA-Test: ja oder nein? (2)

Unter Umständen führen Ärzte bei weitere unnötige Untersuchungen (z.B. eine Biopsie) oder sogar Krebsbehandlungen aufgrund einer falschen Diagnose durch. Krebstherapien haben jedoch schwerwiegende Nebenwirkungen – sie reichen von Inkontinenz bis zur Impotenz. Auch die Prostatabiopsie ist nicht risikofrei.

Noch wichtiger als die falsch-positiven Befunde ist bei Prostatakrebs die Tatsache, dass viele Männer erst in höherem Lebensalter erkranken und bösartige Tumoren in der Prostata unterschiedlich aggressiv sind. Diese Formen des Prostatakrebses wachsen oft sehr langsam und bedürfen möglicherweise überhaupt keiner Behandlung. „Aktive Überwachung“ (engl. active surveillance) oder „Beobachtendes Abwarten“ (engl. watchful waiting) heißen diese Therapiestrategien. Diese Männer mit wenig aggressivem Prostatakrebs entwickeln womöglich Zeit ihres Lebens niemals Beschwerden.

Die Früherkennung spürt aber Tumoren früher auf. Somit verkürzt sich die Lebenszeit, in der ein Mann unbeschwert und ohne das Wissen um seine Krebserkrankung, belastende Untersuchungen und Krebsbehandlungen leben kann. Das allein schmälert die Lebensqualität oft schon erheblich. Auch die Nebenwirkungen der Therapien haben es meist in sich.

PSA-Test - Vorteile des Screenings

Diese Nachteile des PSA-Screenings nehmen Ärzte und Patienten nur dann in Kauf, wenn die positiven Auswirkungen – also eine bessere Lebensqualität und ein längeres Überleben – überwiegen.

Genau das stellte jedoch eine US-Studie (PCLO-Studie) zum PSA-Test im Jahr 2009 in Frage. Sie kam zu folgendem Schluss: Die regelmäßige Früherkennung mittels Tastuntersuchung der Prostata und Bestimmung des PSA-Wertes führe nur dazu, dass Ärzte den Prostatakrebs früher erkennen. Nicht nachgewiesen sei es, dass die Männer länger lebten. Das Fazit der Wissenschaftler: Die PSA-Vorsorge sei deswegen nicht nur sinnlos, sondern sogar schädlich. Diese Aussage erregte damals ernormes Aufsehen. In denUSAwurde das PSA-Screening fortan als „nicht empfehlenswert“ eingestuft.

Ein wenig anders fielen die Ergebnisse einer ebenfalls groß angelegten, europäischen Studie aus (ERSPC-Studie). Die Forscher fanden heraus, dass die PSA-gestützte Früherkennung auf Prostatakrebs das Leben der Männer sehr wohl verlängerte – jedoch nicht in dem Maß, dass die Vorteile eindeutig die Nachteile des Screenings überwogen hätten. Für ein allgemeines PSA-Screening sprachen sich die Autoren dieser Studie deshalb auch nicht aus. Erst müssten weitere Untersuchungen folgen, forderten sie.

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Nutzlose Studienergebnisse: Alle Männer unterzogen sich PSA-Tests

Im Mai 2016 nahm die Diskussion über den Nutzen des PSA-Tests wieder Fahrt auf. Forscher hatten die Daten der PCLO-Studie aus den USA erneut ausgewertet und einen echten Skandal ans Licht gebracht: Diese Studie konnte gar nicht zu dem Ergebnis kommen, dass der PSA-Test das Überleben verlängerte. Bei den Männern aus der Kontrollgruppe hatte man zum Vergleich keine Früherkennungsmaßnahmen durchgeführt.

Aber 90 Prozent diese angeblich Nicht-Getesteten ließen ihren PSA-Wert trotzdem auf eigene Faust bestimmen – und zwar fast genauso oft wie alle anderen Männer aus der Studie. Gegebenenfalls ließen sich die Männer aus der Kontrollgruppe auch behandeln. Damit waren beide Gruppen – laut Studienprotokoll mit und ohne PSA-Test, in Wirklichkeit aber fast alle mit PSA-Test – überhaupt nicht miteinander vergleichbar. Dass keine Unterschiede gefunden wurden, verwundert deshalb nicht.

Also knöpften sich Wissenschaftler die beiden Studien aus den USA und Europa erneut vor. Im Sommer 2017 veröffentlichten sie die Neuauswertung der Daten. Jetzt ließ sich nachweisen, dass das frühere Aufspüren der Prostatakarzinome die Sterblichkeit tatsächlich deutlich reduzierte. Heute beobachten Urologen wieder mehr aggressiver Tumoren und fortgeschrittene Fälle von Prostatakrebs. Ob dies möglicherweise die Folge des seltener eingesetzten PSA-Screenings ist, darüber lässt sich nur spekulieren.

Zögerliches Umdenken beim PSA-Screening

In den USA zeichnet sich aufgrund der neuen Erkenntnisse ein Umdenken ab: Ärzte sollten Männer zwischen 55 und 69 nun wieder über die Vor- und Nachteile des PSA-Tests aufklären. Die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) ist jedoch der Meinung, die Zeit sei noch nicht reif für eine allgemeine Empfehlung des PSA-Screenings. Sie will erst die weitere Datenlage abwarten.

Hierzulande gilt weiterhin der Grundsatz: Alle Männer ab 45 Jahren mit einer Lebenserwartung von mehr als zehn Jahren sollten sich über die Möglichkeiten der Früherkennung auf Prostatakrebs informieren. Ob sie den PSA-Test dann auf eigene Kosten durchführen lassen, müssen sie dann selbst entscheiden.

Text erstellt am 6.3.2018 von Martina Häring.

Quellen:

PSA-Test: ja oder nein? (2024)

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